In diesem Post findet Ihr kein Rezept und höchstwahrscheinlich auch kein Wort über Essen...
Ich breche heute mal mit meinem Vorhaben hier einen reinen Food- bzw. Alles-was-mit-Food-zu-tun-hat-Blog zu schreiben. Naja, wenn ich Euch schon keine schönen Fotos präsentieren kann, dann kann ich ja auch über andere Dinge schreiben, die mich gerade bewegen. Ich weiß nicht, ob es Euch da ähnlich geht, aber für mich sind Kochbücher ohne Bilder ein absolutes No-Go!
Daher heute etwas anderes. Ich lese gerade das neueste Buch von Michel Houellebecq, "Karte und Gebiet". Wer den Schreibstil von Houellebecq, dieses lebensverachtende, depressive und teilweise auch traurige Dasein seiner Protagonisten mag, wie man es auch schon in "Elementarteilchen" lesen konnte, der wird wahrscheinlich auch dieses Buch mögen. Ich kann nur wahrscheinlich sagen, da ich es bisher nicht einmal bis zur Hälfte gelesen habe, was aber für diesen Post unerheblich ist, da es nicht um den Inhalt des Buches sondern den eines einzigen Dialoges bzw. Satzes gehen soll.
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob Houellebecq in seinen anderen Büchern ebenfalls als Protagonist auftaucht. Hier tut er es jedenfalls. Ich habe so ein Stilmittel bisher nur bei Paul Auster in der "New York Trilogie" gelesen, wobei dort eine Figur Paul Auster heißt, aber ob sie wirklich mit dem Autor identisch ist, ist mir nicht mehr ganz klar. Naja, in "Karte und Gebiet" taucht jedenfalls Michel Houellebecq als der Autor auf, der er im wirklichen Leben auch ist. Er lebt in Irland, was den Tatsachen entspricht und wird als Autor der Werke genannt, die er auch wirklich geschrieben hat. Was ich mich nur frage ist, was Houellebecq mit dieser Selbstdarstellung vermitteln will. Der dargestellte Houellebecq ist ein zu tiefst neurotischer, depressiver und trinkender Mann. Ist es eine übersteigerte Selbstironie? Vielleicht werde ich es bis zum Ende des Buches herausgefunden haben.
In einem Anfall von Selbstmitleid sagt daher Michel Houellebecq, der Protagonist im Buch:
"Das ist brutal, wissen Sie, richtig brutal. Während die unbedeutendsten Tiergattungen Tausende, manchmal Millionen von Jahren existieren, ehe sie verschwinden, werden gewerbliche Erzeugnisse innerhalb weniger Tage vom Erdboden gefegt, man räumt ihnen nie eine zweite Chance ein, sie müssen ohnmächtig das unverantwortliche, faschistische Diktat von Produktmanagern ertragen, die natürlich besser als alle anderen wissen, was der Verbraucher will, und die behaupten, beim Verbraucher eine Lust auf Neues entdeckt zu haben, die in Wirklichkeit sein Leben in eine erschöpfende, verzweifelte Suche verwandelt, in ein endloses Umherirren zwischen ständig anders bestückten Regalen." (S. 164)
Was für ein Endlos-Satz! Er beweint sich selber, da sein Lieblingsparka bereits nach einer einzigen Saison nicht mehr hergestellt wurde. Recht hat er allerdings schon. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder irgendein Produkt oder gewerbliches Erzeugnis nennen kann, das nicht mehr hergestellt wird und dem er hinterhertrauert. Ich kann sogar mehrere nennen.
Irgendwann noch während des Studiums habe ich von der Mutter meines damaligen Freundes zu irgendeinem Anlass mal ein Parfum geschenkt bekommen, "Relaxing Fragrance" von Shiseido. Ich fand es damals schon sehr mutig bzw. selbstbewusst jemandem einfach einen Duft zu schenken, von dem man weiß, dass derjenige ihn noch nicht hat bzw. kennt. Ich glaube sie war damals der Meinung, dass es ein typischer Apothekerinnen-Duft ist, sehr frisch, mit grünem Tee und verschiedenen ätherischen Ölen. Die Beschreibung dazu las sich dann auch eher wie eine Aromatherapie. Über Jahre hinweg sollte dieses Parfum also das einzige Parfum sein, was ich benutzt habe. Alle anderen kamen an diesen Duft einfach nicht heran. Und dann "innerhalb weniger Tage" wurde die Produktion eingestellt. Ich habe alle Restbestände, die ich finden konnte aufgekauft, was nicht wirklich ergiebig war, da es anscheinend mehreren so ging wie mir. Fast über Nacht musste ich meine Nase an einen neuen Duft gewöhnen. Wieder ist es Shiseido. Diesmal "Zen", mal sehen wann die Produktion davon ausläuft.
Das nächste Produkt ist mein Deo! Keops (durchsichtig) als Roll-on Antitranspirant von Roc. Es ist schon etwas her, dass J&J seine Kosmetik-Reihe Roc in Deutschland vom Markt genommen hat. Was soll's, die Produkte liefen außer der Keops-Serie eh nicht gut in den Apotheken. Aber es gab ja noch Frankreich und andere europäische Länder in denen man dieses Deo noch kaufen konnte. Aus jedem Frankreich-Urlaub wurden dann 2 Packungen mitgebracht. Aus Polen habe ich es auch mal mitgebracht...
Und dann kam der Schock im letzten Korsika-Urlaub. Genau dieses durchsichtige Keops-Deo gab es in keiner einzigen Apotheke. Wird hier etwa auch demnächst die Produktion eingestellt?
Und nun doch wieder etwas zu Essen, Gera-Ketchup. Dieser Ketchup ist im Zuge der Verwestlichung von der Bildfläche verschwunden. Irgendwann wurde die gleiche Rezeptur dann als Born-Ketchup (Erfurter Senf-Hersteller) wieder (?) auf den Markt gebracht. Aber es gibt ausnahmsweise mal ein Happy-End. Gera-Ketchup gibt es wieder in den Supermarktregalen.
Bei Kleidungsstücken bzw. Schuhen, kann ich ja noch nachvollziehen, dass man sie nicht ewig produziert. Irgendwann ist man wahrscheinlich auch einen Klassiker in der Ursprungsform einfach leid. Aber bei sich verbrauchenden bzw. praktischen Gegenständen, ist es schon sehr schade.
Mein Kollege hat z.B. jahr(zehnt?)elang eine Nickelbrille alla Harry Potter mit Sportbügeln getragen. Irgendwann kann man so ein Gestell aber nicht mehr reparieren... Der Markt hatte aber keine anderes ähnliches Modell mit vergleichbaren Funktionalitäten für ihn zu bieten. So wurde Harry Potter zwangsweise optisch erwachsen.
Zurück zu dem geistigen Erguss von Houellebecq. Es ist schon ganz schön dekadent Tiergattungen als "unbedeutend" zu bezeichnen und die Dauer ihrer Existenz mit dem Dasein gewerblicher Erzeugnisse zu vergleichen. Und jetzt werde ich philosophisch. Ist nicht auch die menschliche Existenz ebenso unbedeutend für die Evolution wie jede andere Tiergattung? Sagt mir Houellebeqc durch die Blume, dass der moderne Mensch sich nicht dem "faschistischen Diktat von Produktmanagern" sondern dem Diktat des Produktes an sich unterwirft? Und wenn das so ist, ist dann der nächste Schritt die Abschaffung jeglichen Lebens? Abgefahrene Ansicht, oder? Im Deutsch-LK hätte ich für sowas bestimmt wieder ein "überintepretiert" bekommen :o)
Strange - Houellebeque ist in seinem eigenen Buch ermordet und zerstückelt worden. Und letztendlich nur weil er ein teures Bild, was ihn darstellt, ihm aber nichts bedeutet, von einem bekannten Künstler geschenkt bekommt und über seinem Kamin hängen hat.
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